Psychische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für eine langanhaltende Erwerbslosigkeit und einen frühen Renteneintritt. Seelisches Leiden belastet nicht nur die Lebensqualität des Betroffenen, es fordert auch Betriebe und Sozialversicherungssysteme. Eine rechtzeitige und adäquate Vorsorge am Arbeitsplatz kann dazu beitragen, einer längerfristigen Erkrankung vorzubeugen.
Psychische Erkrankung als Armutsrisiko
Psychische Erkrankungen sind in den letzten 15 Jahren um 90% gestiegen. Besonders betroffen sind Frauen. Diese Zahlen belegt der Gesundheitsreport 2016. „Dies ist seit Jahren die auffälligste Entwicklung der Kennziffern der Krankenkassen und in höchstem Maße Besorgnis erregend“, erklärt Professor Rita Süßmuth, die frühere Bundesministerin und Präsidentin des Deutschen Bundestages. Eine langanhaltende psychische Erkrankung verringert die Chancen auf berufliche Wiedereingliederung und führt häufig zu Armut.
Bewusstsein für psychisches Leiden stärken
In Deutschland werden psychisch kranke Menschen immer noch durch Vorurteile diskriminiert. Der Gesellschaft mangelt es an einer hinreichenden Sensibilisierung sowie an Akzeptanz psychischer Erkrankungen als „Krankheit“. Seit das Bundesgesundheitsministerium die aufklärende Arbeit des Aktionsbündnisses für Seelische Gesundheit unterstützt, hat sich die Lage verbessert. Ziel dieses Netzwerkes ist, der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, dass psychische Störungen therapierbare und gerade bei frühzeitiger Behandlung auch heilbare Erkrankungen sind. Die Betroffenen sollen ermuntert werden, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Schnelles Handeln ist geboten
„Um eine psychische Erkrankung, gleich welcher Form, rechtzeitig und erfolgreich zu verhindern, bedarf es einer deutschlandweiten, flächendeckenden Versorgung“, betont Rita Süßmuth. Schnelle Hilfe kann über integrierte Versorgungsnetze in Betrieben kommen sowie eine bessere Kommunikation zwischen Betriebsarzt und ambulanter oder stationärer Behandlung. Adäquate Diagnostik und Therapie im frühen Stadium sind das Wesentliche.
Prävention in Betrieben
Der Betrieb ist der beste Ort, um eine psychische Störung frühzeitig zu erkennen und präventiv eingreifen zu können. Besonders die Kompetenzen der Führungskräfte müssen geschult werden. Nur durch professionelles und gesundheitsförderndes Führungsverhalten lassen sich krankmachende Strukturen beheben.
Verknüpfung von Arbeitsmedizin und kurativer Medizin
Das Wohl der arbeitenden Bevölkerung steht im Mittelpunkt des 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes. Sein Ziel ist, die Gesundheit dort zu fördern, wo laut Gesetz „Menschen leben, lernen und arbeiten“. Bei der Prävention psychischer Erkrankungen sind nun die Betriebsärzte gefordert, sich mit Psychologen sowie ambulant und stationär tätigen Psychotherapeuten und Psychiatern zu vernetzen, um die Versorgungswege für die Betroffenen zu optimieren.
„Gesund arbeiten in Thüringen“ – Modellprojekt zur Gesundheitsförderung
Wie die Vernetzung von Arbeitsmedizin und kurativer Medizin erfolgen kann, wird in dem Modellprojekt „Gesund arbeiten in Thüringen“ untersucht. Das im April 2017 gestartete Modellvorhaben der DGAUM mit der Krankenkasse BARMER untersucht die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Thüringen. Das große Ziel ist es, innerhalb der nächsten fünf Jahre Lösungen für die Bundesrepublik zu entwickeln, um flächendeckend Beschäftigte und Betriebe besser und nachhaltig mit betriebsmedizinischen Angeboten zu versorgen. Gemeinsam können Arbeitgeber und Arbeitsmediziner bzw. Betriebsärzte in enger Zusammenarbeit mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten den Beschäftigten eine optimale und koordinierte Versorgung anbieten, von der alle profitieren.
Mehr zum Thema "Handlungsfeld: Arbeit und Psyche" lesen Sie im Beitrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rita Süßmuth in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin“ (ASU): https://www.asu-arbeitsmedizin.com/